Hanfkalk – Baumaterial der Zukunft


Unser Planet ist in der Krise und braucht Intensivpflege. Die Bauwirtschaft ist eine der grössten Verursacher der weltweiten CO2-Produktion und von ca. 50% der Abfälle. Bauen bedeutet (Umwelt-)Zerstörung, man solle es mit Verstand und Freude tun, lehrte Luigi Snozzi. Und man kann nachhaltiger bauen als wir das heute tun. Der Wahl des Baumaterials fällt dabei die zentrale Bedeutung zu. Graue Energie und Materialkreislauf sind materialbezogen zu optimieren. Und vor allem sind die Materialien zu diversifizieren. Bei heutigen architektonischen Projekten – so antwortet Jacques Herzog – fällt nämlich auf, dass Stahlbeton allgegenwärtig ist, weil man damit praktisch alles machen kann. Allerdings wird Beton auch aufgrund von Gestaltungskonzepten und einer angestrebten monolithischen Wirkung vielerorts eingesetzt, wo er rein technisch eigentlich gar nicht nötig wäre. Und da die Ökobilanz von Beton im Vergleich zu anderen Materialien schlecht aussieht und Sand bereits heute als Mangelresource gilt, ist es für die Architektur wichtig, auf alternative Baustoffe zurückgreifen zu können. Die Verwendung von Baumaterialien aus nachwachsenden Rohstoffen muss sich endgültig als neue Form des «Sorgetragens» für unseren Planeten etablieren. Der postulierte Stoffwechsel darf hingegen nie eine Verringerung an architektonischen Qualität nach sich ziehen! Der Holzbau ist bereits etabliert, Alternativen wie der Strohbau wurden zumindest breit getestet. Eine weitere Differenzierung der Baumaterialien bleibt dringend notwendig. Aus diesem Grund möchten wir das Material Hanfkalk – auch Hanfbeton genannt – mit dieser Website bekannter machen.


Hanfkalk ist ein Baustoff mit viel Potential, welcher in der Schweiz noch praktisch unbekannt ist. Dies, obwohl Hanf als Nutzpflanze lokal und traditionell verankert ist. Der Baustoff erfreut sich primär in alternativen Kreisen und im Selbstbau zunehmender Beliebtheit. Aus Sicht der Architektur ist das Material noch weitgehend unentdeckt. Für die Herstellung von Hanfkalk werden von der Hanfpflanze die Hanfschäben (gehäckselte Stängel), ein Abfallprodukt der Faserherstellung, benötigt. Hanfschäben werden heutzutage wenn dann als Tiereinstreu verwendet, meist jedoch schlicht verbannt. Die Weiterverwendung statt Verbrennung der Schäben ist damit im doppelten Sinne positiv. Die Mischung aus Hanfschäben, Luftkalk und Wasser ergibt Hanfkalk. Das Gemisch wird in einer Schalung gestampft und in Kombination mit einem Holzständerbau angewendet, als vorgefertigte Hanfsteine vermauert oder in Form von Fertigteilwänden verbaut. Die Bauweise eignet sich gut für den Selbstbau, da wenig Maschinen benötigt werden. Damit leistet das Bauen mit Hanfkalk auch einen Beitrag zur sozialen Nachhaltigkeit.

 

Das Material hat einen relativ guten Dämmwert. Eine Mauer von 38cm Hanfkalk entspricht heutigen Schweizer Energievorschriften. Im Gegensatz zum Stampflehm oder -beton kann Hanfkalk monolithisch eingesetzt werden, was verschiedene ökologische, kreislaufwirtschaftsfähige und bauphysikalische Vorteile mit sich bringt. Auf einen heutzutage typischen Schichtenaufbau der Fassaden mit Dämmebenen, Folien und Kunststoffen kann beim Bauen mit Hanfkalk gänzlich verzichtet werden. Durch die monolithische Bauweise wird das Material als Speichermasse aktiviert und reguliert zusätzlich auf natürliche Weise den Feuchtigkeitshaushalt im Innenbereich. Dies wirkt sich vorteilhaft auf dynamische Betrachtungen des Raumklimas aus. Nicht nur für Neubauten eignet sich das Material, sondern auch für Ertüchtigungen des Bestandes, z.B. als innenliegende Vorwand für energetische Sanierungen. Hanfkalk ist rezyklierbar und aufgrund seiner weltweit verfügbaren natürlichen Komponenten fundamental nachhaltig. Die schnell wachsende Hanfpflanze (Hanf wächst bis zu 10 cm pro Tag und bis zu 50 mal schneller als Holz!) bindet effizient CO2 und reduziert damit die Belastung der Atmosphäre. 


Mit seinen Vorteilen bietet das Material auch neu zu entdeckende Qualitäten für die Architektur. Spricht Peter Zumthor über den Ausgangspunkt seiner Projekte, so liegt dieser immer im Material. Mit dem Material soll die erdachte Wirkung erzeugt werden, sagt er. In eben diesem Punkt hat auch die Architekturlehre in der Schweiz eine lange Tradition. Schweizer Architektur zeichnet sich aus durch Materialechtheit und materialgerechtes Konstruieren, statt verkleidete Oberflächen und konstruktionsfremde Geometrien. Genau das leistet Hanfkalk und stellt eine echte gestalterische Alternative zum Beton dar.


Diese architektonischen und ökologischen Vorteile von Hanfkalk möchten wir bekannt machen. Die erhabene, ästhetische und sinnliche Erfahrung von Hanfkalk kann mit dieser Website allerdings nicht vermittelt werden. Mehr Informationen zum Material gibt es in unserem Eintrag im Material-Archiv.